Die Reflex-Leugner

Der deutsche Wortschatz ist jüngst um das Wort Corona-Leugner erweitert worden. Es bezeichnet einen Menschen, der die Erkenntnisse der Wissenschaft zum Coronavirus ingnoriert weil sie nicht in sein Weltbild passen.

Wir müssen dem Wortschatz noch ein weiteres Wort hinzufügen, den Reflex-Leugner. Es bezeichnet einen Menschen, der die wissenschaftlichen Erkenntnisse der Reflex-Studie ignoriert weil sie nicht in sein Weltbild passen.

Worum geht es? Im Jahr 2004 wurde im Auftrag der EU eine Studie durchgeführt, mit der untersucht werden sollte, ob Mobilfunkstrahlung die Funktion der Gene in den Zellen beeinflusst. Die erste Studie wurde mit der damals gängigen Mobilfunktechnologie der 2. Generation (GSM, also D-Netz und E-Netz) durchgeführt, und zur Überraschung des wissenschaftlichen Leiters der Studie, Prof. Prof. Franz Adlkofer,  ergab sie, dass in den bestrahlten Zellen tatsächlich eine erhöhte Zahl von Doppelstrangbrüchen beobachtet werden konnte. Doppelstrangbrüche der DNS gelten als Indikator für Gentoxizität und für ein mögliches Krebsrisiko.

Noch während der erste Teil der Studie lief. beantragte Adlkofer eine zweite Studie, bei dem dieselben Versuche mit der damals neuen Funktechnik der 3. Generation, also UMTS, durchgeführt werden sollten. Auch bei dieser Studie wurde eine erhöhte Zahl von Doppelstrangbrüchen nachgewiesen, gegenüber der Bestrahlung mit GSM war bei UMTS die Anzahl der DNS-Doppelstrangbrüche um den Faktor 10 höher. 

Die Studien wurden als Doppelblindstudien durchgeführt, d.h. die Bestrahlung der Proben wurde durch ein Computerprogramm gesteuert, den Auswertenden im Labor war nicht bekannt, ob die Probe, die sie in den Händen hielten, bestrahlt war oder nicht.

Die Reaktion der Strahlenschutzkommission

Man hätte erwarten sollen, dass die Strahlenschutzkommission, ein die Bundesregierung beratendes Gremium, diese Studienergebnisse zum Anlass nimmt, die Bundesregierung zu warnen. Was dagegen passierte ist, dass  der damalige Sprecher der Arbeitsgruppe für Nichtionisierende Strahlung in der Strahlenschutzkommission, Prof. Lerchl. ein Buch mit dem Titel: „Fälscher im Labor und ihre Helfer: Die Wiener Mobilfunk-Studien – Einzelfall oder Symptom“ veröffentlichte. In diesem Buch warf er den Wissenschaftlern der Reflex-Studie vor, die Ergebnisse gefälscht zu haben, und führte aus, wie so etwas nach seiner Meinung bei einer Doppelblindstudie funktioniert haben sollte. Der Spiegel nahm die Geschichte auf und brachte sie auf die Titelseite.

Die an der Reflex-Studie beteiligten Wissenschaftler allerdings waren von ihren Methoden und Ergebnissen überzeugt und beschritten den Klageweg. Die Gerichtsverfahren wurden durch alle Instanzen gezogen und endeten schließlich im Dezember 2020 mit der höchstrichterlichen Entscheidung, dass Prof. Lerchl bei Androhung einer Geldstrafe von 250.000 Euro untersagt wurde, seine Anschuldigungen zu wiederholen. Das Hanseatische Oberlandesgericht Bremen verurteilt Professor Alexander Lerchl zur Rücknahme seiner Fälschungsbehauptung gegenüber der REFLEX-Studie

Das Bundesumweltministerium – die Heimat der Reflex-Leugner

Man sollte meinen, dass eine höchstrichterliche Entscheidung von der Politik zur Kenntnis genommen wird. Im Bundesumweltministerium ist man aber weiterhin der Meinung, dass die Ergebnisse der Reflex-Studie für Deutschland nicht relevant sind. In anderen Ländern war niemals ernsthaft bezweifelt worden, dass die Studienergebnisse korrekt sind. Auch die Entscheidung der WHO, Mobilfunkstrahlung als möglicherweise krebserregend einzustufen, basiert in wesentlichen Teilen auf dieser Studie.

Im Bundesumweltministerium glaubt man aber weiterhin, dass die Vorwürfe von Prof. Lerchl, auch wenn er diese nicht mehr äußern darf, dennoch zutreffend sind. Man darf also sagen, das Bundesumweltministerium ist die Heimat der Reflex-Leugner. Mehr noch, Prof. Lerchl wurde 2021 sogar mit einer eigenen Studie beauftragt, bei dem die Gesundheitsgefahren von 5G untersucht werden sollen. Da kann man sehr gespannt sein, was diese Studie ergeben wird.

Dringend geboten: Die Reflex-Studie für 5G wiederholen

Notwendig und geboten wäre etwas anders: die Reflex-Studie mit der 5G-Mobilfunktechnik zu wiederholen (genauer gesagt, mit der 5G-Strahlung im 3,6 GHz-Band). Wie schon erwähnt, hat die Reflex-Studie ergeben, dass für UMTS die Anzahl der Doppelstrangbrüche 10 mal höher war als für GSM. Man sollte also dringend prüfen, welche Ergebnisse es für die 5. Generation der Mobilfunktechnik gibt.

In der neuen Bundesregierung gibt es auch eine neue Bundesumweltministerin. Die neue Ministerin Steffi Lemke könnte mit dem deutschen „Sonderverständnis“ der Reflex-Studie Schluss machen und sich der Internationalen Bewertung für die Bedeutung dieser Studie anschließen. Tut sie es nicht, dann muss man auch Frau Lemke als Reflex-Leugnerin bezeichnen.